„Wir bekommen ein voll funktionsfähiges Krankenhaus"
Gemeinderat beschließt über Kauf und Nutzung der Klinik
Die Stadt Wertheim erwirbt das Areal der Rotkreuzklinik. Die Nachnutzung soll durch die baldige Einrichtung zweier Fachkliniken in Kombination mit einer Grund- und Regelversorgung sowie einer Notaufnahme erfolgen. Diese weitreichenden Entscheidungen hat der Gemeinderat am Montag, 12. August, in nichtöffentlicher Sitzung getroffen. Der Gemeinderatssitzung vorgeschaltet war eine Besichtigung der ehemaligen Rotkreuzklinik.
„Wir bekommen ein voll funktionsfähiges Krankenhaus, und jeder Quadratmeter des Klinikgebäudes wird gut genutzt“, fasste Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez die Dimension des Nutzungskonzepts zusammen.
In einem Pressegespräch am Mittwoch erläuterte er gemeinsam mit Fachbereichsleiter Helmut Wießner und den Fraktionsvorsitzenden die Beschlusslage. Er äußerte sich dabei „froh und dankbar, dass der Gemeinderat in diesen wichtigen Punkten Klarheit geschaffen hat.“ Noch habe man keine hundertprozentige Sicherheit, „aber Grund zu großer Zuversicht“, dass die erforderlichen Verhandlungen und Genehmigungsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden können.
Der Gemeinderat hat sich in seiner Beschlussfassung auch dazu bekannt, die Wiedereinrichtung und den Betrieb einer stationären Notaufnahme jährlich mit 2,75 Mio. Euro abzusichern. Man werde vor allem auf den Landkreis, aber auch auf die Nachbarkommunen zugehen und sie um Unterstützung bitten, kündigte OB Herrera Torrez an. „Der Betrag ist eine realistische Größe, aber auch eine echte Herausforderung für unseren Haushalt.“
Die wesentlichen Informationsbausteine des Pressegesprächs im Einzelnen:
Erwerb des Klinikareals
Unmittelbar nach Scheitern des Insolvenzverfahrens der Rotkreuzklinik, am 21. Juni, hatte OB Herrera Torrez den Willen der Stadt Wertheim bekundet, das Krankenhausareal zu erwerben. Vorrangiges Ziel war die Weiterentwicklung des Gebäudes zu einem Gesundheitszentrum und die Integration einer stationären Notfallversorgung, um die im Landeskrankenhausplan verankerten Planbetten am Standort Wertheim zu erhalten.
Das vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration daraufhin angeforderte Konzept für eine mögliche Nachfolgenutzung hat die Stadt fristgerecht am 24. Juli vorgelegt. Die Eckpunkte dieses Konzepts, das neben der Notfallversorgung auch die Möglichkeit stationärer medizinischer Versorgung der Bürgerschaft vorsieht, wurden dem neukonstituierten Gemeinderat am 23. Juli in nichtöffentlicher Sitzung vorgestellt.
Sowohl vom Ministerium wie auch von Seiten der Kostenträger liegen zu dem Konzept zwischenzeitlich positive Stellungnahmen vor.
Den Erwerb von Grundstück, Gebäude und Inventar der Rotkreuzklinik hat die Stadt mit dem Generalhandlungsbevollmächtigen verhandelt. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Das Gebäude wird lastenfrei übereignet. Gemeinderat sowie die Aufsichtsräte der Stadtentwicklungsgesellschaft Wertheim (STEG) und der Städtischen Holding haben den Kauf am 12. August beschlossen. Künftige Eigentümerin soll die Stadtentwicklungsgesellschaft Wertheim mbH sein. Die Kosten des Erwerbs und des laufenden Betriebs sollen langfristig durch Mieteinnahmen erwirtschaftet werden, so dass die Stadt Wertheim den Kauf finanziell nicht bezuschussen muss. Die notarielle Beurkundung des Kaufvertrages kann voraussichtlich noch im August erfolgen.
Für den Erwerb durch die STEG hat man sich auch aus Zeitgründen entschieden. Die Verwaltung prüft im Auftrag des Gemeinderats die spätere Übertragung des erworbenen Areals in eine neu zu gründende Gesellschaft.
Nachfolgenutzung des Klinikgebäudes
Die Verhandlungen der Stadt mit potenziellen Mietern der Flächen sind weit fortgeschritten und stehen vor dem Abschluss. Verhandlungspartner sind zum einen die Westfalenklinikgruppe und zum anderen die Mediclin AG. Mit dem Nutzungskonzept „Bürgerspital Wertheim“ der Westfalenklinikgruppe und der stationären neurologischen Rehabilitation der Mediclin AG können werthaltige medizinische Dienstleistungen zeitnah und langfristig im Gebäude angesiedelt und gleichzeitig die seit Monaten durch Bürgerschaft, Politik und niedergelassene Ärzte als vordringlich geforderte „Basisnotfallversorgung“ am Standort Wertheim sichergestellt werden.
Westfalenklinikgruppe
Die Westfalenklinikgruppe ist seit 1999 spezialisiert auf elektive Medizin, sie betreibt aktuell vier Privatkliniken und drei Fachzentren in Deutschland. Jährlich werden in ihren Einrichtungen mehr als 20.000 Patienten auf den medizinischen Fachgebieten der Adipositaschirurgie, der bariatrischen Endoskopie und Gastroenterologie, der plastischen und rekonstruktiven Chirurgie sowie der Dermatologie ambulant und stationär versorgt. Zur Westfalenklinikgruppe gehören außerdem die Weight Doctors, die führenden Spezialisten für minimal-invasive Behandlungen bei Übergewicht und Adipositas. An derzeit 18 Standorten im In- und Ausland bieten die Weight Doctors die gesamte Palette von Behandlungsmöglichkeiten der modernen Medizin zum effektiven, medizinisch begleiteten Abnehmen an.
Konzept „Bürgerspital Wertheim“
Die Westfalenklinikgruppe bzw. eine von ihr für den Standort Wertheim zu gründende gemeinnützige Betreibergesellschaft beabsichtigt, auf wesentlichen Teilflächen des Klinikgebäudes das „Bürgerspital Wertheim“ zu realisieren. Das Konzept sieht eine Kombination aus Fachklinik, Grund- und Regelversorgung sowie Notfallversorgung vor.
• Mit einem sehr breiten Kooperationsangebot mit der Wertheimer Ärzteschaft soll eine Grund- und Regelversorgung mit rund 65 bis 70 Betten für Innere Medizin und Chirurgie entstehen.
• Auf das Zentrum für bariatrische Chirurgie (Adipositaschirurgie) sollen weitere 20 bis 25 Betten entfallen. Das spezialisierte Behandlungsangebot profitiert von einer vorhandenen Struktur ambulanter Zentren der Westfalenklinikgruppe / Weight Doctors, indem die Patienten mit stationärer Indikation künftig nach Wertheim eingewiesen werden.
• Weil die Vorhaltung dieser Strukturen aufwendig und umfassend ist, ergeben sich Synergieeffekte für die Notfallversorgung. Die Bereitstellung einer zentralen Notaufnahme ZNA (Basisnotfallversorgung lt. G-BA Richtlinie) ist daher als zusätzlicher Leistungsbereich unter Nutzung von Synergien (24/7 Facharzt, Radiologie etc.) möglich.
Der dauerhafte Betrieb der Notfallversorgung wird defizitär sein. Deshalb erwartet die Westfalenklinikgruppe eine jährliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 2,75 Mio. Euro. Der Gemeinderat hat die Verwaltung ermächtigt, dazu mit der Westfalenklinikgruppe eine entsprechende Vereinbarung zu schließen. Sie wurde zudem beauftragt, für die jährliche finanzielle Unterstützung eine rechtssichere Lösung zu erarbeiten.
Die Stadt Wertheim setzt darauf, dass die benachbarten Kommunen, deren Bürger von der dann wieder verfügbaren Notall- sowie Grund- und Regelversorgung ebenfalls profitieren, sie dabei auf freiwilliger Basis unterstützen. Große Erwartungen richten sich insbesondere an den Landkreis Main-Tauber sowie den Kreistag, der bereits in der Vergangenheit dargelegt hat, dass er zu einer finanziellen Unterstützung der Notfallversorgung am Standort Wertheim bereit ist.
Die Realisierung des „Bürgerspitals Wertheim“ ist abhängig von Voraussetzungen wie der Neu-Zulassung der Klinik, der Aufnahme in den Landeskrankenhausplan und der Finanzierung der Leistungen durch die Sozialleistungsträger. Die bisherigen Signale sind positiv, so dass bei erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen und Genehmigungsverfahren ein sukzessiver Betriebsstart im 4. Quartal möglich sein könnte.
Stationäre neurologische Rehabilitation der Mediclin AG
Der zweite Verhandlungspartner der Stadt Wertheim ist die Mediclin AG. Der große, bundesweit tätige medizinische Dienstleister mit Sitz in Offenburg möchte, zusätzlich zum „Bürgerspital Wertheim“, eine Fachklinik für stationäre neurologische Rehabilitation auf den noch zur Verfügung stehenden Flächen im Klinikgebäude betreiben. Zwischen den beiden Konzepten können zahlreiche Synergieeffekte geschaffen werden.
Die Nutzungskonzeption beinhaltet aktuell 88 Betten sowie die erforderlichen Therapieflächen. Vorgesehen ist zudem die Übernahme der Küche im Wirtschaftsgebäude durch die Mediclin AG. Neben Patienten und Mitarbeitern beider Kliniken sollen auch externe Gäste/Kunden über die Cafeteria versorgt werden können. Die Mediclin AG strebt ebenfalls einen Betriebsstart im 4. Quartal an.
Mit diesen beiden Nutzungsbausteinen und dem bislang bereits bestehenden Dialysezentrum von Dr. Seibold und Dr. Breunig könnte ab Übernahme des Gebäudes durch die STEG innerhalb weniger Monate eine Vollbelegung des Rotkreuzklinikgebäudes erreicht werden.
Personalgewinnung
Die frühzeitige Einstellung des erforderlichen Fachpersonals in ausreichender Zahl ist von zentraler Bedeutung. Sowohl die Westfalenklinikgruppe als auch die Mediclin AG haben in den Gesprächen mit der Stadt deutlich gemacht, dass die Umsetzung ihrer Nutzungskonzeption maßgeblich von der Gewinnung des benötigten Personals abhängt. Auch die abschließende positive Entscheidung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration wird von einem stabilen Personalkörper bedingt. Nach vielen bislang geführten Gesprächen ist die generelle Bereitschaft ehemaliger oder noch unter Vertrag stehender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rotkreuzklinik zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit unter neuer Trägerschaft vielversprechend und wird auch von Seiten der niedergelassenen Ärzte nach Kräften unterstützt.